Staat und Religion
Die religiöse Neutralität des Staats ist eine wesentliche Grundlage zur Sicherung der individuellen Religionsfreiheit. Auf Bundesebene definiert sich die Schweiz deshalb als säkularer Staat. Die Eidgenossenschaft pflegt grundsätzlich keine institutionellen Beziehungen zu einzelnen Religionsgemeinschaften. Ausnahme sind Armeeseelsorge durch die Landeskirche und Zusammenarbeit mit kirchlichen und jüdischen Organisationen im Bereich Flüchtling- und Asylwesen. Für die Regelung des Verhältnisses von Staat und Religion sind die Kantone zuständig.
Die Beziehung von Religion und Staat ist in der Schweiz geschichtlich geprägt. Bis zur Gründung der modernen Schweiz 1848 war die Beziehung zwischen den kirchlichen und der politischen Führungsschichten in den einzelnen Kantonen sehr eng. Die katholische oder evangelisch-reformierte Kirche waren vielfach Staatskirchen.
Noch heute ist die Verbindung der beiden christlichen Kirchen mit dem Staat in den meisten Kantonen ausgeprägt. Einzig die Kantone Genf und Neuenburg haben eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat vollzogen.
Die christlichen Kirchen beteiligen sich in der Schweiz intensiv an den demokratischen Entscheidungsprozessen. Sie mischen sich im Bereich der Menschenrechte ein und engagieren sich bei sozialen und ethischen Fragenstellungen.Unter der eigenen Erfahrung der Bedeutung der Religionsfreiheit haben sich die Staatskirchen in den vergangenen Jahren auch für die religiöse Toleranz gegenüber Andersgläubigen eingesetzt.
Öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften
Als Grundform der Beziehung zwischen Staat und Kirche hat sich in der Schweiz die Anerkennung der Religionsgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaften, sogenannte Landeskirchen, etabliert:
- Die katholische und die evangelisch-reformierte Kirchen sind überall öffentlich-rechtlich anerkannt (Ausnahme GE und NE).
- Die Kantone Zürich, Bern, Luzern, Solothurn, Baselland, Baselstadt, Schaffhausen, St. Gallen und Aargau haben ebenfalls die christ-katholische als Landeskirche zugelassen.
- Die Kantone Bern, Freiburg, Baselstadt und St. Gallen geben auch den jüdischen Gemeinden einen öffentlich-rechtlichen Status.
Die Kantone Zürich, Bern, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Baselland, Schaffhausen, Appenzell Innerrhoden, Aargau, Tessin, Wallis und Jura geben auch weiteren Religionsgemeinschaften die Möglichkeit, anerkannt zu werden. Obwohl die Zahl der Kantone steigt, die in ihren Verfassungen die öffentlich-rechtliche Zulassung geöffnet haben, sind bis jetzt ausserhalb des jüdisch-christlichen Spektrums keine Gemeinschaften zugelassen worden.
Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit einer Anerkennung
Mit der öffentlich-rechtlichen Anerkennung sind eine Reihe von Rechten und Pflichten verbunden. Neben dem Recht, Steuern zu erheben, erhalten die Landeskirchen einen erleichterte Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Spitäler, Gefängnisse etc.).
Die öffentlich-rechtliche Anerkennung ist gleichzeitig an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Gefordert sind: eine demokratische Organisationsform, die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, die Anerkennung der Religionsfreiheit und finanzielle Transparenz.
Leicht-Variante der öffentlichen Anerkennung
Neben der Zulassung als öffentlich-rechtliche Körperschaft sehen die Kantone Zürich und Baselstadt für besonders wichtige Religionsgemeinschaften im Weiteren eine Leicht-Variante der öffentlichen Anerkennung vor. Hier bleiben die Gemeinschaften privat-rechtlich organisiert, stehen aber mit den staatlichen Institutionen in engerem Austausch und können im Auftrag des Staats bestimmte Leistungen erbringen. Im Kanton Zürich werden die Israelitische Cultusgemeinde und Jüdische Liberale Gemeinde in solcher Weise anerkannt.
Nicht anerkannte Religionsgemeinschaften
Alle nicht anerkannten Religionsgemeinschaften – u.a. die muslimischen, hinduistischen, buddhistischen, freikirchlichen Organisationen etc. – unterstehen dem Privatrecht. Sie müssen sich als Vereine oder Stiftungen organisieren.
Zum Thema: Grundlagen zur öffentlich-rechtlichen Anerkennung